Fehlendes Licht verrät ein einzelnes Nanopartikel
Forschungsbericht (importiert) 2009 - Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
Einleitung
Im Nanokosmos laufen vielfältige Vorgänge ab: ein Protein faltet sich in seine optimale Form, ein Molekül durchläuft eine chemische Reaktion, ein Atom emittiert ein Photon, ein Nanopartikel absorbiert Licht. Doch durchlaufen alle Moleküle die gleiche Reaktion, falten sich alle Proteine, absorbieren alle Nanopartikel? Machen identische Nanoobjekte das Gleiche? Nominell identische Objekte können sich je nach Umgebung, Form oder Ausgangsbedingung unterschiedlich verhalten. Manche Proteine falten sich beispielsweise nicht korrekt und dies kann dann Krankheiten verursachen. Ein Atom emittiert ein Photon, ein anderes, identisches, aber eben nicht. Die Mittelung über viele Nanoobjekte verwischt die Information, die ein Experiment liefern kann. Messungen an einzelnen, individuellen Nanoobjekten machen es daher leichter, die gewonnenen Informationen zu interpretieren. Oft treten dann auch erst besondere Eigenschaften hervor, die sich ansonsten in der großen Masse des „gewöhnlichen“ Verhaltens verstecken würden [1].
Einzelmolekülspektroskopie
Es gibt viele experimentelle Techniken, mit denen man in den Nanokosmos vorstoßen kann. Einige erreichen eine räumliche Auflösung, die es erlaubt, einzelne Nanoobjekte wirklich abzubilden. Die Rastertunnelmikroskopie ist ein Beispiel. Andere Techniken können zwar die Form eines Nanoobjekts nicht erfassen, haben dafür aber andere Vorteile: Die optische Spektroskopie zum Beispiel ist nicht wie die Rastertunnelmikroskopie an die Untersuchung von Oberflächen gebunden. Mit Lichtmikroskopen können nur Strukturen aufgelöst werden, die etwa eine halbe Wellenlänge voneinander entfernt sind. Sichtbares Licht mit einer Wellenlänge von 500 Nanometern ermöglicht also keine sehr genaue räumliche Abbildung des Nanokosmos. Es kann aber spektrale, also energetische Informationen über einzelne Nanoobjekte liefern. Dazu muss man nur sicherstellen, dass die Objekte weit genug voneinander entfernt sind, deutlich weiter als die Lichtwellenlänge, und dass sich die Nanoobjekte spektral deutlich von ihrem Hintergrund unterscheiden.
Die optische Spektroskopie einzelner Atome und Ionen gelang erstmals vor etwa 30 Jahren in der Gasphase. Dort ist kein Hintergrund vorhanden, der stören könnte. In kondensierter Materie sind vor etwa 20 Jahren erstmals einzelne Moleküle untersucht worden [2]. In beiden Fällen nutzt man aus, dass Atome und Moleküle fluoreszieren. Die Emission der Nanoobjekte unterscheidet sich spektral vom Anregungslicht, das somit effizient unterdrückt werden kann. Falls sich kein Molekül im Fokus des Mikroskopobjektivs befindet, werden keine Fluoreszenzphotonen generiert. Die Detektion erfolgt vor einem dunklen Hintergrund und kann daher sehr rauscharm sein. Abbildung 1(a) zeigt das Prinzip des Versuchsaufbaus und Abbildung 1(b) skizziert ein so gemessenes Signal eines Moleküls.
Die wenigsten Nanoobjekte emittieren aber Fluoreszenzphotonen. Ein optisch angeregter Zustand kann auf vielerlei Weise die Anregungsenergie abgeben. Fluoreszenz ist nur eine der Möglichkeiten. Diese nicht fluoreszierenden Nanoobjekte absorbieren aber zumindest das Anregungslicht. Auch auf diesem Weg können spektroskopische Informationen gewonnen werden. Die Schwierigkeit ist hierbei allerdings, dass dies nicht mehr vor einem dunklen Hintergrund stattfindet. Absorption zeigt sich im Fehlen von Anregungsphotonen, also in der Variation der detektierbaren Photonenzahl auf einem hohen, zeitlich variablen Untergrund (Abb. 1(b)). Das Problem ist hier die Quantennatur des Lichts, die zum Schrotrauschen führt: In Lichtstrahlen schwankt die Photonenzahl pro Zeiteinheit immer um die Wurzel der mittleren Photonenzahl. Um die Absorption eines Nanoobjekts detektieren zu können, muss diese eine größere Änderung der Photonenzahl hervorrufen, als das Schrotrauschen ausmacht.
Plasmonische Nanopartikel
Nanopartikel aus Edelmetallen waren schon immer eine besonders interessante Klasse von Nanoobjekten, die sich bevorzugt über ihre Absorption untersuchen lassen [3]. Diese 10 bis 100 Nanometer großen Partikel aus Gold oder Silber sind beispielsweise verantwortlich für die leuchtenden Farben mittelalterlicher Kirchenfenster. Die freien Elektronen in diesen Metall-Partikeln werden durch das elektromagnetische Feld des Lichts zu einer kollektiven Schwingung angeregt (Abb. 2). Das sogenannte Partikel-Plasmon, also die kollektive Schwingung der Elektronen, gerät je nach Größe, Material und Umgebung des Partikels bei unterschiedlichen Wellenlängen in Resonanz. Der Effekt der Plasmon-Resonanz ist auf ein relativ schmales Wellenlängenintervall begrenzt und führt dazu, dass bevorzugt eine Wellenlänge absorbiert wird, während die anderen ungehindert transmittiert werden. Das erklärt, warum ein Glas mit vielen Metall-Nanopartikeln als Farbfilter wirkt, wodurch es als buntes Element eines Kirchenfensters eingesetzt werden kann.
In den letzten Jahren sind die Partikel-Plasmonen intensiv untersucht worden, da ihre Resonanzwellenlängen von den dielektrischen Eigenschaften der lokalen Umgebung des Partikels abhängen. Dadurch ist es beispielsweise möglich, ein Metall-Nanopartikel als Biosensor zu verwenden [4]: Zuerst wird die Oberfläche des Partikels mit einem Antikörper beschichtet. Wenn dann das dazu passende Protein andockt, ändert sich die Dielektrizitätskonstante der Umgebung geringfügig von der des Lösemittels hin zu der des Proteins. Dies verschiebt die Plasmonresonanz, wodurch sich die Absorption des Partikels an einer gegebenen Wellenlänge ändert. Kleine, zeitlich variable Änderungen der Absorption einzelner Nanopartikel können also durchaus praktische Anwendungen finden.
Akustische Atmungsschwingungen einzelner Metallpartikel
Metall-Nanopartikel sind darüber hinaus aber auch an sich interessant, da sie den Übergang von Molekülen zum Festkörper bilden. Dies zeigt sich in den mechanischen Eigenschaften von nur wenige Nanometer großen Partikeln. Optische Spektroskopie kann diese abfragen, in dem ein kurzer Laserpuls das Partikel schlagartig um wenige Kelvin erwärmt [5]. Die thermische Ausdehnung des Partikels löst dann akustische Schwingungen aus, die Atmungsschwingungen. In der Grundmode wird das ganze Partikel periodisch größer und kleiner. Die sich so periodisch ändernde Elektronendichte führt zu einer periodischen Verschiebung der Plasmonresonanz, die sich durch einen zweiten Laserpuls abfragen lässt. Trägt man die Absorption des zweiten Laserpulses als Funktion der Verzögerung zwischen Anrege- und Abfrage-Puls auf, so erkennt man die Schwingung der Atmungsmode (Abb. 3). Bei bekannter Partikelgröße (zum Beispiel durch Elektronenmikroskopie) kann so die Schallgeschwindigkeit im Nanopartikel ausgemessen werden.
Das Absorptionssignal und dessen Änderung durch die Atmungsschwingungen sind proportional zum Volumen des Partikels. Abbildung 3 wurde an einem einzelnen 80 Nanometer großem Goldpartikel gemessen. Aus Ensemble-Experimenten weiß man, dass bei einer Partikelgröße von etwa 5 Nanometern die Kristallstruktur einen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften hat. Um in diesen interessanten Bereich auch mit Einzelpartikelmessungen vorzudringen, muss die Empfindlichkeit des Experiments um etwa den Faktor 5000 vergrößert werden. Dazu kann entweder das Rauschen verringert oder die Absorption des Partikels vergrößert werden. Das Schrotrauschen ist durch die Wurzel der Anzahl detektierter Photonen gegeben. Eine höhere Laserintensität oder eine längere Integrationszeit würden also helfen. Allerdings ist erstere durch die Zerstörschwelle der Probe und letztere durch die Geduld des Experimentators limitiert. Die Arbeiten in diesem Projekt zielen deshalb darauf, die Absorption des Partikels zu vergrößern, allerdings ohne das Partikel selbst zu verändern.
Plasmon-Hybridisierung ermöglicht Verstärkung kleiner Signale
Das Konzept, das hier zur Anwendung kommt, ist die Plasmon-Hybridisierung [6]. Die Plasmonen zweier benachbarter Partikel wechselwirken miteinander. Aus den beiden ungekoppelten Plasmonen bilden sich zwei neue, hybride Plasmonen heraus, die Linearkombinationen der ungekoppelten sind. Dies ist vergleichbar mit der Hybridisierung von Atomorbitalen in der Chemie. Die neuen, hybriden Plasmonen besitzen unterschiedliche Resonanzwellenlängen (Abb. 4). Partikel-Plasmonen beschreiben eine kollektive Elektronenschwingung. Da sich die Elektronenwolken gegenseitig abstoßen, macht es für die Schwingung der Elektronen in benachbarten Partikeln einen Unterschied, ob die Elektronenwolken gemeinsam in eine Richtung oder gegeneinander oszillieren.
Interessant wird es, wenn die beiden Partikel unterschiedlich groß sind. Es bilden sich zwei Resonanzen mit unterschiedlich starker Absorption heraus. Beide Partikel tragen zu beiden Absorptionspeaks bei. Ändert sich die Absorption des kleineren der beiden Partikel, so ändert sich auch die Absorption der beiden hybriden Plasmonen. Diese Absorptionsänderung ist nun aber stärker, als sie das kleine Partikel alleine hervorrufen könnte. Das kleine Partikel hat einen überproportional großen Einfluss auf die Gesamtabsorption. Anders ausgedrückt: das große Partikel verstärkt den Einfluss des kleinen. Man kann dies dadurch verstehen, dass das große Partikel das elektromagnetische Feld in seiner Nähe durch seine Partikelresonanz verstärkt. Zwar ist es nicht möglich, einen Laserstrahl auf eine Fläche mit einem Durchmesser kleiner als die halbe Wellenlänge zu fokussieren, jedoch kann ein Metallpartikel lokal ein erhöhtes Feld verursachen. Wenn das kleine Partikel an dieser Stelle positioniert ist, dann hat es einen höheren Einfluss auf den transmittierten Strahl, es kann mehr Photonen absorbieren.
Abbildung 5 zeigt die Daten eines Experiments, das dies demonstriert. Akustische Atmungsschwingungen wurden durch einen Anregepuls ausgelöst. Sie führen zu einer periodischen Änderung der Absorption des Partikels, die von einem zweiten Puls abgefragt wird. Als Funktion der Abfragewellenlänge zeigt Abbildung 5(a) die Amplitude dieser Absorptionsänderung für ein einzelnes, 50 Nanometer großes Partikel. Wenn ein zweites, 90 Nanometer großes Partikel in die Nähe gebracht wird, dann verstärkt sich die Absorptionsänderung (Abb. 5(b)). Gleichzeitig ist die spektrale Form eine andere und nur durch ein Modell zu beschreiben, das die Plasmon-Hybridisierung berücksichtigt.
Die Verstärkung beträgt im Experiment bisher nur in etwa den Faktor zwei. Größere Verstärkungen sind durch optimierte Strukturen, sogenannte optische Nanoantennen, zu erwarten. Dies wird es ermöglichen, die Atmungsmoden einzelner, nur wenige Nanometer großer Metallpartikel zu spektroskopieren. Ensemble-Experimente haben gezeigt, dass in diesem Größenbereich die Kristallstruktur einen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften der Partikel hat. Die Auswirkung von Defekten und individuellen Variationen der Kristallstruktur auf die Atmungsmoden eines einzelnen Partikels werden so zugänglich sein, wodurch der Grenzbereich der Kontinuumsmechanik ausgelotet werden kann. Gleichzeitig verstärkt die Plasmon-Hybridisierung auch die Antwort plasmonischer Nanosensoren. Nur in einem sehr kleinen Volumen muss die dielektrische Umgebung durch Binden eines Proteins modifiziert werden. Diese Änderung selbst ist im optischen Transmissionssignal nicht zu detektieren, aber die Plasmon-Hybridisierung verstärkt das Signal, ohne selbst auf das Protein empfindlich zu sein. Mithilfe sehr kleiner Sensor-Partikel ist es so denkbar, die Bindung von nur wenigen, wenn nicht gar einzelnen Proteinen nachweisen zu können.