Einstellung der Ladungsverteilung in ultra-dünnen Schichten mittels gezielter Variation der innere mechanischen Spannungen
Forschungsbericht (importiert) 2021 - Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
Verbindet man zwei Materialien, kann dies dazu führen, dass die elektronischen Eigenschaften an der Grenzfläche keinem der beiden Materialien entsprechen. Beispielsweise kann die Grenzfläche zwischen zwei isolierenden Materialien elektrisch leitend oder gar supraleitend werden [1]. Der Grund für das besondere Verhalten des Grenzflächenbereichs liegt darin, dass die Atome in diesem Bereich unterschiedliche Materialien auf beiden Seiten „sehen“. Dies führt zu einer Neuordnung und Umverteilung von Ladungen und Spins [2]. Es ist zwar bekannt, aber bisher nur wenig untersucht worden, dass mechanische Spannungen die Grenzflächeneigenschaften modifizieren können [3]. Derartige Spannungen entstehen dadurch, dass die Abstände der Atome in beiden Materialien verschieden sind.
Hier untersuchen wir mithilfe der Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) die Grenzflächen zwischen La0.5Sr0.5MnO3 (LSMO) und La2CuO4 (LCO) [4]. Eine dünne LSMO-Schicht wird mittels Molekularstrahlepitaxie zwischen zwei LCO-Schichten eingebettet. Solche 3-Schicht-Systeme werden auf drei unterschiedlichen Substraten (SrTiO3 (STO), (LaAlO3)0.3(Sr2AlTaO6)0.7 (LSAT) und LaSrAlO4 (LSAO)) aufgebracht. Da diese Substrate unterschiedliche Gitterkonstanten besitzen, werden die Schichtsysteme unterschiedlichen mechanischen Spannungen ausgesetzt: Zugspannung auf STO, Druckspannung auf LSAO und weitgehende Spannungsfreiheit auf LSAT.
Leitfähigkeits- und Magnetisierungsmessungen zeigen deutliche Unterschiede der drei Systeme (Abb. 1). Während die Schichten auf STO halbleitend sind, sind die Schichten auf LSAT und LSAO metallisch.
Mithilfe der Elektronen-Energieverlustspektroskopie (EELS) haben wir den Valenzzustand der Mn-Ionen mit atomarer Auflösung vermessen (Abb. 2). Nominell sollten die Mn-Ionen jeweils zur Hälfte die Valenz +3 beziehungsweise +4 besitzen. Tatsächlich beobachten wir, dass im Zentrum der LSMO-Schichten der Valenzzustand niedriger ist als erwartet, nahe der zwei Grenzflächen dagegen höher. Dies zeigt, dass innerhalb der LSMO-Schicht eine Umverteilung elektrischer Ladungen erfolgt.
Der hohe Valenzzustand in der Nähe der Grenzflächen ist gleichbedeutend mit einer erhöhten Konzentration von Elektronenlöchern beziehungsweise von Mn4+-Ionen. Es ist bekannt [5], dass der Superaustausch zwischen Mn4+-Ionen zu antiferromagnetischem (AFM) Verhalten führt. Dagegen ist im Zentrum der LSMO-Schichten die Elektronendichte erhöht. Dieser zentrale Bereich ist für die Leitfähigkeit und die ferromagnetischen Eigenschaften durch den Doppelaustausch zwischen Mn-Ionen gleicher Valenz entscheidend. Interessant ist nun, dass wir auf dem LSAO-Substrat (Druckspannung in der LSMO-Schicht) eine besonders hohe Elektronenkonzentration (kleine Mn-Valenz) beobachten, was zu maximalen ferromagnetischen Eigenschaften und höchster Leitfähigkeit führt. Im Gegensatz dazu beobachten wir auf dem STO-Substrat (Zugspannung in der LSMO-Schicht) im Zentrum der LSMO-Schicht eine nahezu perfekte Valenz von 3,5, was wiederum einen geringen Ferromagnetismus und eine geringe Leitfähigkeit bedingt. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Messungen, die in Abbildung 1 gezeigt wurden.