Atom und Molekül auf einer Wellenlänge
Aromatische Verbindungen dienen als Quellen einzelner Photonen und werden für die Quanteninformationsverarbeitung mit Alkalimetallen kombiniert
Es mag verwundern, aber in der Physik liegen Welten zwischen dem Gebiet der Atome und dem Terrain der organischen Moleküle. Um ein Molekül mit Atomen optisch sprechen zu lassen, müssen sich Physiker daher ähnlich anstrengen wie die meisten Europäer, wenn sie chinesisch lernen wollen. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung und der Universität Stuttgart hat nun erstmals eine Kommunikation zwischen Molekülen und Atomen angestoßen. Die Forscher haben Moleküle dazu gebracht, einen Strom schnell aufeinander folgender, aber dennoch einzelner, Photonen abzugeben. Die Moleküle wählten sie dabei so aus, dass die Farbe ihrer Emission auf die Absorption der Natriumatome abgestimmt ist. Die Forscher entwickelten daher aus einer mit Natriumdampf gefüllten Glaszelle einen Filter, der Licht diese Farbe extrem gut abblockt und etwa für biologische Untersuchungen interessant ist. Zudem nutzten die Physiker die Gas-gefüllte Zelle, um den Photonenstrom zu bremsen und so für einige Nanosekunden zwischenzuspeichern. Das könnte etwa für die Quantenkommunikation interessant sein, die völlig neue Ansätze bei der Übertragung und Verarbeitung von Daten verfolgt.
Ilja Gerhardt und seine Kollegen sind physikalische Brückenbauer: Die Forscher des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung in Stuttgart und der dortigen Universität haben in ihren Experimenten die Atom- und die Molekülphysik zusammengebracht. Aus der Perspektive eines Laien mögen die beiden Disziplinen eng verwandt sein, doch für Physiker sind deren Territorien durch eine bisher ziemlich undurchlässige Grenze getrennt. So hat bisher auch deshalb noch keiner Moleküle dazu gebracht, mit Atomen zu reden, weil der Austausch der Wissenschaftler beider Gebiete ebenfalls nicht besonders rege ist.
Die Experimente mit Molekülen stellen zudem ganz andere Anforderungen als die Versuche mit Atomen und bieten andere Möglichkeiten. „Wir haben jetzt erstmals die Spektroskopie einzelner Moleküle mit der Spektroskopie der Atome kombiniert“, sagt Ilja Gerhardt, der die Experimente leitete. Die Spektroskopie ist das Arbeitspferd der Quantenphysiker. Dabei strahlen die Forscher Licht – meistens das eines Lasers – auf ein Material und gucken, ob und wenn ja, welches Licht die Substanz abgibt. Das verrät ihnen viel über den Aufbau und das Verhalten ihrer Testobjekte.
Eine besonders helle Quelle für einzelne Photonen
Die Forscher haben nun ein Molekül dazu gebracht, einzelne Photonen auszusenden, die Atome aufnehmen können. Quellen einzelner Photonen gibt es inzwischen einige, sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nie zwei oder mehr Photonen gleichzeitig abgeben. Einzelne Photonen sind als Träger von Quanteninformation interessant, weil sie sich etwa durch Glasfasern übertragen lassen und ihr Quantenzustand nicht kopiert werden kann. Sie könnten dank eines Verfahrens namens Quantenkryptografie eine abhörsichere Kommunikation ermöglichen. „Unsere Einzelphotonen-Quelle ist um ein vielfaches heller als andere“, sagt Ilja Gerhardt. Denn die Moleküle der Stuttgarter Forscher geben pro Sekunde mehr als eine halbe Million Photonen, und damit 1000 Mal mehr Lichtteilchen ab als andere Quellen, aber eben in einem kontinuierlichen Strom einzelner Lichtteilchen. Besonders helle Quellen einzelner Photonen könnten die Übertragung von Quanteninformation deutlich beschleunigen, weil sie mehr Information pro Sekunde übermitteln können.
Die Moleküle leuchteten aber nicht nur besonders hell, sondern auch in einem besonderen Licht. „Wir haben ein Molekül dazu gebracht, mit der Wellenlänge eines Atoms zu sprechen“, sagt Ilja Gerhardt. Das hieß zunächst, passende Moleküle und Atome auszuwählen. So durchforstete Ilja Gerhardt die Fachliteratur danach, welche Atome und Moleküle Licht ungefähr gleicher Wellenlänge absorbieren und emittieren – sich also gut kombinieren lassen. Das hängt vor allem davon ab, welche energetischen Zustände die Elektronen der Kandidaten annehmen können. Wenn ein Elektron nämlich von einem Energieniveau zu einem höher gelegenen springt, schluckt es dabei ein Photon, weil es dessen Energieschub braucht. Fällt es von einem Level auf eines darunter, spuckt es dagegen ein Lichtteilchen aus. Dies ist auch bei einzelnen organischen Molekuelen der Fall. Üblicherweise senden die Teilchen jedoch rot-verschobene, also energieärmere Photonen aus – ähnlich wie ein Textmarker, der orange fluoresziert, wenn man ihn mit blauem Licht bestrahlt.
Moleküle, die in der optischen Sprache der Atome sprechen
Als geeignetes Paar identifizierte Ilja Gerhardt etwa die aromatische Verbindung Dibenzanthanthren und Natrium. Denn die Dibenzanthanthren-Moleküle sprechen in der optischen Sprache der Atome: Sie geben orange-gelbes Licht ab, das Natriumatome absorbieren.
Allerdings geben nicht alle Moleküle Licht exakt derselben Farbe ab, jedes spricht gewissermaßen in seinem eigenen Dialekt. Um eines zu identifizieren, das vom Natrium möglichst gut verstanden wird, präparierten die Forscher zunächst eine Lösung der Moleküle. Diese verdünnten sie so stark, dass die Moleküle viel Platz zueinander hatten. Nun froren sie einen dünnen Film der Lösung bei 1,4 Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius ein. In dieser Kälte bewegen sich die Moleküle kaum noch, sodass sie Licht von sehr scharf eingegrenzter Wellenlänge aufnehmen und abgeben.
Auf die Probe strahlten die Forscher durch ein Mikroskop nun einen Laserstrahl mit der en Farbe, die auch Natriumatome aufnehmen. Im Mikroskop sahen sie dann die Moleküle, die auf das orange-gelbe Licht ansprechen. Dabei wurden nur die Moleküle angeregt, die auch mit diesem Licht kommunizieren konnten. Wegen des Energieverlusts zwischen Absorption und Emission präsentierten sich die Moleküle in rotem Licht.
Im Strahl des anregenden Lasers gehen die roten Blitze der Moleküle jedoch unter, so wie aus einem Stadion bei Flutlicht auch die Sterne des Nachthimmels nicht mehr zu erkennen sind. Daher filtern Forscher das anregende Licht aus dem Strahl, der auf ihren Detektor fällt. Um ein einzelnes Molekül zu sehen, würde ein einfaches rotes Glas eigentlich genügen. Doch leider filtert das Glas auch einen Teil des roten Lichts und wirkt daher wie eine Sonnenbrille – viele Photonen gehen so verloren.
Natriumdampf als Filter könnte biologische Untersuchungen erleichtern
„Wir haben festgestellt, dass sich eine Zelle mit heißem Natriumdampf dafür viel besser eignet als kommerzielle Filter“, sagt Ilja Gerhardt. Der 155 Grad heiße Natriumdampf filtert nämlich sehr präzise nur das orange-gelbe Licht aus dem Strahl, während kommerzielle Filter immer auch etwas Licht seitlich davon abzwacken. Die Leuchtpunkte der Moleküle sind durch den Natriumdampf-Filter daher viel deutlicher zu erkennen als durch einen kommerziellen. „Unsere Entdeckung ist etwa für biologische Experimente sehr relevant“, sagt Ilja Gerhardt. Biologen untersuchen die Prozesse in Zellen oft, indem sie Proteine mit leuchtenden Anhängseln versehen und diese mit Laserstrahlen anregen. Mit einem präziseren Filter könnten ihre Untersuchungen aussagekräftiger werden, weil sie die Signale, auf die sie es abgesehen haben, besser erkennen können.
Diese praktische Erkenntnis für Experimentatoren, die mit Lasern arbeiten, beruht jedoch nur auf einer der möglichen Varianten im optischen Zusammenspiel von Molekülen und Atomen dar. Eine Verständigung zwischen Molekülen und Atomen ist mit diesem Experiment noch nicht möglich, weil die Natriumatome für das rote Licht der Moleküle blind, oder um im Bild zu bleiben, taub sind. Doch wenn Moleküle orange-gelbes Licht aufnehmen können, das Natriumatome verstehen, können sie dieses auch abgeben – die Forscher müssen ihr Experiment nur ein wenig modifizieren. Zu diesem Zweck wählten sie unter den Molekülen in der tiefgekühlten Lösungsmittel-Matrix zunächst eines aus, das sich in der photonischen Sprache des Natriums äußert.
Ein umgepolter Natrium-Filter identifiziert die Farbe der Molekülblitze
Um nun das Licht herauszufiltern, welches genau mit der Natriumlinie übereinstimmt, waehlten die Stuttgarter Forscher einen Trick: Hier hilft wiederum die Natriumdampf-Zelle. Deren Filterwirkung lässt sich mit einem Magnetfeld nämlich umpolen. Dann lässt sie nur noch Licht der orange-gelben Farbe durch, die von den Natriumatomen gewöhnlich absorbiert wird. Die Forscher schickten die Blitze eines Moleküls also durch die umgepolte Natriumdampf-Zelle auf einen Fotodetektor, einem Zähler für Photonen. Wenn dieser nun anschlug, konnten sie sicher sein, dass sich das Molekül in Natriumsprache geäußert hatte.
„Mit dem Molekül haben wir also eine brillante Einzelphotonen-Quelle gefunden, deren Licht wir auf die Absorption von Atomen einstellen können“, sagt Ilja Gerhardt. Das könnte für die Verarbeitung von Quanteninformation hilfreich sein, weil sich so die Information flüchtiger Photonen in Atome schreiben lässt.
Natriumdampf als Zwischenspeicher für einzelne Photonen
Schließlich wiesen die Stuttgarter Forscher noch nach, dass die Natriumdampf-Zelle das Licht eines Moleküls zwischenspeichern kann. Das heißt, die Zelle bremste den Strom der einzelnen Photonen merklich. Das beobachteten die Forscher, als sie ein Molekül orange-gelbes Licht abgeben ließen, das sehr dicht am Farbton des Natrium-Lichts liegt, aber doch noch ein bisschen davon abweicht. So konnte es die Natriumdampf-Zelle passieren. Mit einer ausgeklügelten Stoppuhr für Photonen wiesen die Wissenschaftler nach, dass ein Photon erst mit sechs Nanosekunden Verzögerung aus der Natriumdampf-Zelle heraus kommt.
Der Zwischenspeicher für Photonen könnte ganz ähnlich wie Zwischenspeicher der heutigen Elektronik für die Verarbeitung von Quanteninformation etwa mit einem Quantencomputer nützlich sein. Bis es so weit ist, müssen Physiker jedoch noch viele grundlegende und praktische Probleme in den Griff bekommen. Auch die Kommunikation zwischen Molekülen und Atomen muss noch besser werden. Doch immerhin: Der Dialog ist jetzt eröffnet.
PH