Sensorik am Quantenlimit

Forschungsbericht (importiert) 2018 - Max-Planck-Institut für Festkörperforschung

Autoren
Wrachtrup, Jörg; Kern, Klaus
Abteilungen
3. Physikalisches Institut, Universität Stuttgart; „Nanowissenschaften“
DOI
Zusammenfassung

Nanoskalige Quantensensoren eröffnen neue Perspektiven von der Materialwissenschaft bis hin zur Bio- oder Medizinanalytik. Der Stuttgarter Arbeitsgruppe am MPI für Festkörperforschung gelang jüngst der Nachweis einzelner Proteine und deren Konformationsänderung mit einem Diamand-Quantensensor.

Das präzise Erfassen physikalischer Größen ist die Grundlage sämtlicher Naturwissenschaften und notwendige Voraussetzung sowie Triebfeder nahezu aller technischer Weiterentwicklungen. Sensoren weisen Größen wie Druck, Temperatur, Position, Bewegung beziehungsweise Beschleunigung, Lage, Gravitation oder elektrische und magnetische Felder nach. In der Physik werden makroskopische und nanoskopische Sensoren an verschiedenen Stellen, etwa für die nanoskalige Sensorik in der Rasterkraft- oder Tunnelmikroskopie und - spektroskopie, zur Materialanalyse eingesetzt. Allerdings erreichen diese Sensoren in der Regel nicht die von der Quantenmechanik vorgegebenen Empfindlichkeitsgrenzen, sondern sind häufig durch thermisches oder technisches Rauschen begrenzt. Erst kürzlich wurden Quantensensoren entdeckt, die auf der Nanometerskala die von der Quantenmechanik vorgegebenen Grenzen der Empfindlichkeit erreichen und sich gleichzeitig in vielen Bereichen der Grundlagenforschung von der Medizin bis zur Materialwissenschaft einsetzen lassen.

Die Quantensenoren bestehen aus (einzelnen) atomaren Defekten in Isolatoren wie zum Beispiel  Diamant. Der bekannteste atomare Quantensensordefekt, das Stickstoff-Fehlstellenzentrum in Diamant, besitzt einen elektronparamagnetischen Grundzustand, dessen Quantenzustände sich auch unter Umgebungsbedingungen optisch auslesen lassen. Durch die Wechselwirkung der magnetischen Momente des Elektronenspins mit äußeren Magnetfeldern lassen sich diese nachweisen und messen. Die atomaren Defekte erreichen dabei eine Empfindlichkeit, die nur durch die von der Quantenmechanik vorgegebene Messungenauigkeit, genauer der Dephasierungszeit der verwendeten Elektronenspins, limitiert ist. Diese ist so groß, dass die magnetischen Momente von einzelnen Elektronen nachgewiesen werden können [1].

In unserer Stuttgarter Arbeitsgruppe haben wir dies in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Heifei ausgenutzt, um erstmals einzelne, mit Elektronenspins markierte Proteine anhand deren magnetischer Momente nachzuweisen. Da wir diese Experimente unter physiologischen Bedingungen durchgeführt haben, konnten wir mit der Methode außerdem die Moleküldynamik des Proteins untersuchen. Da das Magnetfeld des Spinlabels am Protein vom Sensor richtungsempfindlich nachgewiesen wird, lässt sich diese Information dazu nutzen, den Konformationsraum der Seitengruppe des Proteins zu vermessen.

Das Verfahren hat allerdings den Nachteil, dass das Zielprotein wie in der Fluoreszenzmikroskopie auch markiert werden muss. Daher war es für uns ein wichtiges Ziel, auf diese Markierung verzichten zu können und das intrinsische kernmagnetische Moment der Proteine als Messgröße zu verwenden. Bringt man den Sensor bis auf wenige Nanometer an das Zielmolekül heran, so gelingt es tatsächlich, das schwache magnetische Moment von Protonen und Kohlenstoffkernen in einzelnen Molekülen nachzuweisen. Dabei ist es uns gelungen, erstmals Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) mit Nanometerauflösung durchzuführen. Wir konnten demonstrieren, dass dazu das magnetische Moment von nur ungefähr 100 Kernspins notwendig ist.

Die klassische NMR bietet zwei verschiedene Verfahren an, um räumliche Auflösung zu erreichen: In der Magnetresonanztomographie (MRI), wie sie häufig in Kliniken zur Diagnose eingesetzt wird, erreicht man die räumliche Auflösung durch ein räumlich variierendes Magnetfeld. In der NMR-Spektroskopie gelingt die chemische Strukturaufklärung von Molekülen verschiedener Größe bis hin zu Proteinen bei konstantem Magnetfeld. Die Methode basiert dabei darauf, dass NMR-Spektren mit hoher spektraler Auflösung die Wechselwirkung benachbarter Kernspins auflösen und auf diese Weise Auskunft über deren relative Orientierung und somit auch über die Molekülstruktur geben.

Die Quantensensoren erreichen diese Auflösung nur, wenn neben dem Elektronenspin, der die Magnetfelder der Kernspins der Probe nachweist, noch zusätzliche sogenannte Memory-Spins eingesetzt werden, um die gemessenen Signale über eine genügend lange Zeit mitteln zu können. Nutzt man diese Quantenspeicher aus, so erreicht man in der Tat die Auflösungen dieser chemischen Verschiebung mit einem Nachweisvolumen, in dem sich nur einige hundert Moleküle befinden [2].

Besonders bemerkenswert sind die Bedingungen, unter denen wir die oben geschilderten Experimente durchgeführt haben: Das gesamte magnetische Moment der nachgewiesenen Kernspins war im Mittelwert praktisch Null. Die Fluktuationen um diesen Mittelwert reichen aber aus, um sie durch den Quantensensor als magnetisches Rauschen nachzuweisen. Um die Empfindlichkeit der Methode weiter zu verbessern, können die Kernspins polarisiert, das heißt abweichend von ihrer thermischen Polarisation in einen Zustand gebracht werden, in dem die Kernspins möglichst alle in eine Vorzugsrichtung weisen.

Dieses als Hyperpolarisation bekannte Verfahren wird in der NMR-Spektroskopie und auch im klinischen MRI zur Empfindlichkeits- beziehungsweise Auflösungssteigerung eingesetzt. Bei dem verwendeten Quantensensor kommt einem ein glücklicher Umstand zur Hilfe, um diese Hyperpolarisation auf einfache Weise zu implementieren. Der Elektronenspin des Quantensensors wird nämlich durch das optische Auslesen des Quantenzustands des Elektronenspins selbst in einen spezifischen Zustand projiziert, also polarisiert. Diese Polarisation lässt sich auf die Kernspins der Probe übertragen. Damit konnten wir eine Polarisation von rund 10 Prozent [3] erreichen – dies entspricht einer Steigerung des magnetischen Moments um etwa das Tausendfache.

Besonders aufschlussreich ist es dabei, die Dynamik der Polarisation zu verfolgen: Unsere Ergebnisse bestätigen nämlich frühere Vorhersagen, wonach sich bei genügend großer Kontaktfläche zwischen den Quantensensoren und der zu polarisierenden Probe sehr große Polarisationsgrade erreichen lassen. Diese sind durchaus konkurrenzfähig mit derzeit verwendeten Methoden zur Hyperpolarisation, allerdings technisch sehr viel einfacher zu realisieren. Entsprechend haben wir mit Arbeiten zur Erstellung eines Prototyppolarisators, der das Verfahren technisch demonstrieren soll, begonnen.

Literaturhinweise

1.
Schlipf, L.; Oeckinghaus, T.; Xu, K.; Dasari, D.B.R.; Zappe, A.; Fávaro de Oliveira, F.; Kern, B.; Azarkh, M.; Drescher, M.; Ternes, M.; Kern, K.; Wrachtrup, K.; Finkler, A.
A molecular quantum spin network controlled by a single qubit
Science Advances 3, e1701116 (2017)
2.
Aslam, N.; Pfender, M.; Neumann, P.; Reuter, R.; Zappe, A.; Fávaro de Oliveira, F.; Denisenko, A.; Sumiya, H.; Onoda, S.; Isoya, J.;Wrachtrup, J.
Nanoscale nuclear magnetic resonance with chemical resolution
Science 357, 67-71 (2017)
3.
F. Shagieva, F.; Zaiser, S.; Neumann, P.; Dasari, D.B.R.; Stöhr, R.; Denisenko, A.; Reuter, R.; Meriles, C.A.; Wrachtrup, J.
Microwave-Assisted Cross-Polarization of Nuclear Spin Ensembles from Optically Pumped Nitrogen-Vacancy Centers in Diamond
Nano Letters 18, 3731-3737 (2018)
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