Epitaktisches Graphen auf Siliziumkarbid mit maßgeschneiderter elektronischer Struktur
Forschungsbericht (importiert) 2013 - Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
Atomar dünne Kohlenstoffschichten, sogenanntes Graphen, werden auf Siliziumkarbid (SiC) hergestellt. Das Graphen entsteht durch Verdampfen der Siliziumatome aus den obersten Lagen des SiC. Damit das Graphen seine außergewöhnlichen elektronischen Eigenschaften zeigt, muss seine chemische Anbindung zur Unterlage entkoppelt werden. Dies kann durch Einbringung von Wasserstoff, sogenannter Interkalation, zur Passivierung erreicht werden. Durch Interkalation mit anderen Materialien, z. B. Germanium, ist eine gezielte Dotierung der Graphenlagen möglich.
Graphen, eine atomar dünne Kohlenstoffschicht
In jüngster Zeit hat sich die Forschung an Nanostrukturen aus Kohlenstoff zu einem rasant fortschreitenden Wissenschaftsthema entwickelt. Dies hat seinen Ursprung um 2004 mit der erfolgreichen experimentellen Herstellung einer regelmäßig geordneten Kohlenstofflage mit der Dicke von nur einem einzigen Atom, dem sogenannten Graphen. Die Präparation von Graphen gelang etwa zu gleicher Zeit sowohl durch mechanisches Abziehen von einem Graphitkristall [1] als auch durch thermische Isolation auf der Oberfläche von Siliziumkarbid (SiC) [2]. Von Beginn an wurde letztere Methode, das epitaktische Wachstum von Graphen auf SiC, am Stuttgarter Institut in der Arbeitsgruppe „Grenzflächenanalytik“ intensiv vorangetrieben, um Graphenschichten höchster Qualität zu präparieren sowie ihre elektronischen Eigenschaften nach Maß zu verändern. Abbildung 1 zeigt eine Graphenlage mit ihrer honigwabenartigen Anordnung der Kohlenstoffatome (a), ebenso wie ihre epitaktische Anlagerung auf der SiC-Unterlage (b).
Es sind die elektronischen Eigenschaften einer solchen Graphenlage, welche die Faszination ausmachen, die dieses Material ausstrahlt. Die Anordnung in der Kohlenstofflage wird einerseits durch kräftige kovalente Bindungen stabilisiert, die drei der vier Valenzelektronen des Kohlenstoffatoms involvieren (sogenannte σ-Bindungen). Die jeweils vierten Valenzelektronen der Kohlenstoffatome bilden gemeinsam ein delokalisiertes Elektronensystem aus (sogenannte π-Bänder), vergleichbar mit den Elektronen im aromatischen Ring eines Benzolmoleküls. Aus einem einfachen mathematischen Ansatz ergibt sich, dass die Elektronen dieser Bänder durch eine lineare Energie-Impuls-Beziehung (Dispersion) in der Nähe ihres Kreuzungspunktes, des sogenannten Dirac-Punktes (ED), beschrieben werden können, wie es in Abbildung 1(c) dargestellt ist. Diese lineare Bandstruktur verleiht den Elektronen spezielle Eigenschaften, die zu teilweise erstaunlichen quantenphysikalischen Effekten führen können. An der gezielten Beeinflussung der Eigenschaften dieser Elektronenbänder arbeitet die Stuttgarter Arbeitsgruppe durch Variation der Wachstumsparameter und durch Einfügen von Zwischenlagen zusätzlicher Elemente mittels sogenannter Interkalation.
Eine epitaktische Graphenlage wird dabei durch Heizen der SiC-Probe erzeugt, wodurch die obersten Siliziumatome im SiC verdampfen. Der zurückbleibende Kohlenstoff bildet die Graphenlagen aus. Der Wachstumsprozess wird in einer Argonatmosphäre durchgeführt in Anlehnung an ein an der Universität Erlangen entwickeltes Verfahren [3], wodurch sich Schichten sehr hoher Qualität erzeugen lassen. Die so hergestellten Proben zeichnen sich durch praktisch defektfreie Bereiche von mehreren Mikrometern Ausdehnung aus, während die Bereiche untereinander nur durch die Stufen des Substrats getrennt sind.
Quasifreies Graphen durch Wasserstoff-Interkalation – auch in mehreren Lagen
Bei der Herstellung der Graphenschichten auf monokristallinen SiC-Waferstücken als Substrat bildet sich auch das Graphen in wohlgeordneter und periodischer Struktur aus, da es in gewissem Maße an das SiC gebunden ist. Dies stellt für die potenzielle technologische Anwendung einen enormen Vorteil dar, da man – im Gegensatz zur Methode des mechanischen Abziehens – großflächig kristalline Graphenlagen erhält – und das auf Wafern eines in der Mikroelektronik etablierten Halbleitermaterials, nämlich SiC. Allerdings kauft man sich dabei einen Nachteil ein, denn die Bindung zum Substrat beeinträchtigt die ungestörte Bewegung der π-Elektronen. Insbesondere kann sich das π-System in der allerersten Graphenlage nicht als Elektronenband ausbilden.
Eine elegante Lösung, wie dieses Problem umgangen werden kann, wurde erstmals in der Stuttgarter Arbeitsgruppe durch das Einbringen von Wasserstoff demonstriert. Die kovalenten Bindungen zwischen Graphen und Substrat werden durch Wasserstoffatome abgesättigt, welche durch eine thermische Prozessierung der Probe in Wasserstoffgas zwischen die Lagen hineingedrückt werden. Damit wird der elektronische Einfluss auf die π-Bänder unterdrückt und die Graphenlagen sind elektronisch quasifrei, aber mechanisch noch mit dem SiC-Substrat verbunden [4, 5]. Für dieses Verfahren hat sich mittlerweile in der Literatur der Ausdruck Wasserstoff-Interkalation etabliert.
Abbildung 2 zeigt in Panel (a) in einer schematischen Darstellung, wie die Graphenlage durch das Eindiffundieren von Wasserstoff vom SiC-Substrat gelöst wird, indem die obersten Siliziumatome durch den Wasserstoff passiviert werden. Erst dadurch können sich die π-Bänder ausbilden, deren Verlauf, wie in Abbildung 2(b) gezeigt, mittels winkelaufgelöster Photoelektronenspektroskopie (ARPES in der englischen Abkürzung) vermessen werden kann. Die Homogenität der Graphenbereiche auf einer Mikrometerskala ist aus einer Mikroskopieaufnahme mittels langsamer Elektronen (engl. LEEM) ersichtlich, die in Panel (c) dargestellt ist.
Durch die Optimierung der Wachstumsparameter gelang es auch, mehrere Graphenlagen aufeinander wachsen zu lassen. Nach dem Entkoppeln durch Wasserstoff-Interkalation konnte dabei eine quasifreie Trilage von Graphen erzeugt werden, deren π-System sich, da die Lagen elektronisch gekoppelt sind, durch drei Bänder auszeichnet. Diese Bänder konnten mit so hoher Präzision mittels ARPES dargestellt werden, dass eine Anpassung theoretischer Wechselwirkungsparameter gelingen konnte [6]. Die Messung ist in Abbildung 2(d) dargestellt und mit den theoretischen Ergebnissen überlagert, die zeigen, dass sich in der Graphentrilage nicht nur die für Graphit typische ABA-Stapelung (sog. Bernal stacking) einstellt, sondern ein erheblicher Anteil der Lage in der rhomboedrischen ABC-Stapelung vorliegt, die für potenzielle elektronische Anwendungen sehr vielversprechend ist.
Funktionalisierte Graphenbänder
Weiterführend über die Entkopplung der Graphenlagen durch Wasserstoff hinaus gelang auch die gezielte Beeinflussung der Dichte und Eigenschaften der Ladungsträger in der Graphenlage durch die Interkalation anderer Elemente. Durch Einbringen einer Germaniumschicht – ebenfalls interkaliert zwischen Graphen und dem SiC-Substrat – kann der Grad der Füllung der π-Bänder der Graphenlage in Abhängigkeit der Schichtdicke beeinflusst werden. Sind die Bänder genau bis zu ihrem Kreuzungspunkt auf der Energieskala, dem sogenannten Dirac-Punkt, gefüllt, so spricht man von Ladungsneutralität. Eine Füllung über den Dirac-Punkt hinaus entspricht einer Dotierung mit Elektronen (n-Dotierung). Reicht die Füllung nicht bis dorthin, erhält man eine p-Dotierung (durch die Elektronenleerstellen oder sogenannten Löcher). Die Dotierung ist in den ARPES-Messungen daran erkennbar, bis zu welcher Energie Photoelektronen nachgewiesen werden, da nur die gefüllten Bereiche zum Messsignal beitragen.
Abbildung 3(a) zeigt links und rechts die Bänder der n- und p-dotierten Bereiche isoliert und in der Mitte die Messung an einer Übergangsphase, in der beide Dotierungen präsent sind. Durch eine mikroskopische Aufnahme konnte gezeigt werden, dass man diese Koexistenz der gegensätzlichen Dotierungen auf einer mesoskopischen Skala ausbilden kann. In dieser Mikroskopaufnahme, die in Abbildung 3(b) dargestellt ist, ist die Intensität der aus einem Rumpfniveau des Germanium emittierten Photoelektronen räumlich aufgelöst aufgetragen (Photoelektronen-Emissionsmikroskopie, PEEM), wodurch die beiden Phasen anhand ihrer Germaniumkonzentration differenziert werden können [6]. Die gezielte mesoskopische Präparation von p/n- und n/p/n-Übergängen im Graphen verspricht die Möglichkeit einer experimentellen Realisierung einiger der oben angesprochenen Quanteneffekte durch ihre Ausnutzung in elektronischen Bauelementen.
Die Analyse der Transporteigenschaften der funktionalisierten Graphenschichten auf einer Nanometer-Skala ist Gegenstand aktueller Arbeiten in der Arbeitsgruppe. Dabei werden auch hochdotierte Graphenschichten und Graphenübergitter untersucht, welche sich durch weitere Interkalationsexperimente realisieren lassen.