ERC Advanced Grant für Bernhard Keimer
Forschungsprojekt wird Wege zu verlustarmer Elektronik erforschen
Bernhard Keimer, Direktor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, hat seinen zweiten Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) für ein Projekt gewonnen, das den Magnetismus für elektronische Geräte mit stark reduziertem Stromverbrauch nutzen soll.
Elektronen, die sich durch moderne elektronische Bauelemente bewegen, erzeugen Wärme, wenn sie mit Defekten in den Halbleitermaterialien kollidieren, was zu einem enormen Verlust an elektrischer Energie führt. Um diese Verluste zu reduzieren, entwickeln Forscher eine neue Generation von Bauelementen, bei denen die Elektronen an Ort und Stelle gehalten und magnetische Anregungen („Magnonen“) zur Informationsübertragung genutzt werden. Die meisten bisher erforschten magnonischen Bauelemente nutzen Ferromagnete, bei denen alle magnetischen Momente („Spins“) der Elektronen in die gleiche Richtung ausgerichtet sind. Sobald ein Magnon durch Umkehren eines dieser Spins erzeugt wird, breitet es sich viel leichter durch den Ferromagneten aus als geladene Ströme in gewöhnlichen elektronischen Materialien, sodass die Erwärmung erheblich reduziert wird. Allerdings schränken die vergleichsweise geringe Geschwindigkeit ferromagnetischer Magnonen und ihre Empfindlichkeit gegenüber externen Magnetfeldern die Leistungsfähigkeit aktueller magnonischer Bauelemente stark ein.
Das ERC-Projekt „SpecTera“ wird Bauelemente auf der Basis von Antiferromagneten untersuchen, bei denen die Richtung des Elektronenspins von einem magnetischen Atom zum anderen wechselt. Antiferromagnetische Magnonen sind schnell und unempfindlich gegenüber makroskopischen Magnetfeldern und ermöglichen so möglicherweise Geräte mit Taktraten im Terahertz-Bereich. Allerdings sind neue Methoden erforderlich, um diese Anregungen zu erzeugen, zu leiten und zu detektieren. Um diese Herausforderungen anzugehen, wird SpecTera Konzepte, Materialien und Methoden aus einem anderen Forschungsgebiet nutzen – nämlich der Physik korrelierter Elektronen, wo komplexe Antiferromagnete seit langem als Plattform für Quantenphänomene wie Supraleitung dienen. Im Rahmen von SpecTera werden Forscher neue Konzepte entwickeln, um antiferromagnetische Magnonen einzuschließen und zu leiten, und spektroskopische Methoden wie die inelastische Röntgenstreuung verwenden, um ihre Ausbreitung auf mikroskopischen Längenskalen zu untersuchen. Die auf diese Weise entwickelten Steuerungsmöglichkeiten könnten den Weg zu einer neuen Architektur magnonischer Bauelemente ebnen.
Bernhard Keimer wurde im Jahr 1991 am Massachusetts Institute of Technology promoviert. Nach seiner Tätigkeit als Professor an der Princeton University wurde er 1998 in seine jetzige Position als Direktor am MPI für Festkörperforschung berufen. Er erhielt eine Reihe renommierter Auszeichnungen, darunter den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis im Jahr 2011 und den Kamerlingh Onnes Preis im Jahr 2022. Sein erster ERC Advanced Grant, verliehen im Jahr 2015, ermöglichte die Entwicklung eines einzigartigen Instruments für inelastische Röntgenstreuung am PETRA-III-Synchrotron in Hamburg.
Über den ERC
Der 2007 von der Europäischen Union gegründete ERC ist die führende europäische Förderorganisation für Grundlagenforschung. Es stellt exzellenten Forschern und ihren Teams eine langfristige Finanzierung zur Verfügung, um bahnbrechende, risikoreiche und gewinnbringende Forschung zu betreiben. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. In der aktuellen Bewerbungsrunde für Advanced Grants erreichten 1829 Forschungsvorschläge den ERC, 13,9 Prozent davon wurden genehmigt. Insgesamt wird ein Fördervolumen von 652 Millionen Euro an 255 Stipendiaten für Projekte in 19 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Ländern vergeben.